Skip to content

Latest commit

 

History

History
159 lines (92 loc) · 28.5 KB

full-text-german.md

File metadata and controls

159 lines (92 loc) · 28.5 KB

Die Trümmerstruktur der Meteoriten von Orvinio und Chantonnay.

Von G. Tschermak, korrespondierendem Mitglied der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften.

(Mit 2 Tafeln.)

(Vorgelegt in der Sitzung am 19. November 1874.)

Orvinio.

Am 31. August 1872 ereignete sich um 5 1/4, Uhr Morgens bei Orvinio in der römischen Provinz ein Meteoritenfall, welcher mehrere Steine lieferte. Über die näheren Umstände und die beobachteten Erscheinungen berichtete Ph. Keller.* Über die Bahn der Feuerkugel existiert eine Mitteilung von G. S. Ferrari,* sowie von M. S. Rossi,* welcher auch seine an den Steinen gemachten Wahrnehmungen beschrieb und darauf bezügliche Abbildungen veröffentlichte.

Aus der Abhandlung Kellers wiederhole ich hier bloß, dass im Ganzen sechs Steine gefunden wurden, welche zusammen über 3 Kilogramm wogen und deren schwerster ein Gewicht von 1.242 Kil. besaß. Alle zeigten eine schwarze Kruste und im Inneren eine ungleichförmige von Sprüngen durchzogene Masse.

Während meiner Anwesenheit in Rom im Frühling des l. J. erhielt ich durch die Güte des Herrn Ph. Keller einen vollständigen Stein von Orvinio, der nunmehr in der Sammlung des k. k. Hof-Museums aufbewahrt wird und der mir die folgenden Beobachtungen ermöglichte. Es gereicht mir zum größten Vergnügen, hier die Gelegenheit zu finden, Herrn Keller für dieses wertvolle Geschenk meinen innigen Dank aussprechen zu können.

*) Poggendorff's Ann. Bd. 250, pag. 171 und ein nachträglicher Bericht in den Mineralog. Mitteilungen. 1874, pag. 258.

*) Ricerche fisico-astronomiche intorno all' uranolito caduto nell agro Romano il 31. di Agosto 1872. Roma 1873.

*) Studj sull uranolito, caduto nell’ agro Romano ecc. Roma 1973. Abdruck aus den Atti dell’ Accademia pontif. de’nuovi Lincei 1873.

Der genannte Stein besitzt eine schwarze, dünne, runzelige Rinde, welche an manchen Stellen fehlt, teils ursprünglich, teils deshalb, weil sich beim Niederfallen Partikelchen von der spröden Masse ablösten. Die Gestalt des Steines ist knollenförmig. Auf Taf. I Fig. 1 ist dieselbe in der halben Größe wiedergegeben und so gestellt, dass die allerdings etwas schwierig erkennbare Brustseite links und die Rückenseite rechts zu liegen kommt. An der Begrenzung dieser beiden Teile des Steines bemerkt man eine schwache Randbildung derselben Art, wie sie bei jenen Steinen, welche aus schwerschmelzbaren Silicaten zusammengesetzt sind, öfters beobachtet wird. Die Oberfläche trägt stellenweise tiefe Gruben und nirgends scharfe Kanten.

Durch den Stein wurde in der, in der Figur durch eine punktierte Linie angedeuteten Richtung ein Schnitt geführt. Die Struktur, welche dadurch enthüllt wurde, ist eine ungewöhnliche und merkwürdige. Man erkennt nämlich, dass der Stein aus hellgefärbten Bruchstücken besteht, welche von einer dichten dunklen Bindemasse umgeben sind. Die Fig. 2 auf Taf. I ist ein Bild des Schnittes in natürlicher Größe.

Die Bruchstücke sind gelblichgrau, enthalten Kügelchen und Partikelchen von Eisen und Magnetkies, sie sind also normaler Chondrit und besitzen in ihrem Gefüge Ähnlichkeit mit der Masse des Steines von Seres in Makedonien.

Die Bindemasse ist schwärzlich, dicht und splittrig. Sie enthält kleine Partikelchen vor Eisen und Magnetkies, welche meist gleichförmig eingestreut sind, an der Grenze gegen die Bruchstücke aber so angeordnet erscheinen, dass im Durchschnitte eine sehr deutliche Fluidaltextur* sichtbar wird. (Fig. 2.) Die Wahrnehmung macht es wohl im hohen Grade wahrscheinlich, dass die Bindemasse sich im einst plastischen Zustande und in Bewegung befand.

Die spröde Bindemasse hat hie und da feine Sprünge, welche sich zuweilen durch die eingeschlossenen Bruchstücke fortsetzen. An den Grenzen der Bruchstücke und der Bindemasse erscheinen zuweilen schmale, offene Sprünge, in denen das Nickeleisen in zarten gestrickt-blechförmigen Gestalten frei auskristallisiert erscheint. Die Bruchstücke sind an der Rinde, also an der Berührungsstelle mit der Bindemasse dunkler, härter und spröder als in der Mitte. Die letzteren Beobachtungen sprechen dafür, dass der plastische Zustand der Bindemasse von einer sehr hohen Temperatur begleitet war.

Die beiden Bestandteile, die Bindemasse und die Bruchstücke haben, wie später gezeigt wird, fast dieselbe chemische Zusammensetzung, fast das gleiche Volumgewicht, und so viel sich ermitteln lässt, auch denselben mineralogischen Bestand. Demnach lässt sich der Meteorit von Orvinio mit einer bestimmten Art tellurischer Gesteine vergleichen und zwar mit einer Breccie vulkanischen Gesteins, welche aus einer dichten Grundmasse und aus körnigen Trümmern desselben Gesteins zusammengesetzt ist. Bekanntlich sieht man derlei Breccien an Vulkanen und überhaupt im Bereiche der eruptiven Felsarten häufig. Sie bilden sich dadurch, dass ältere kristallinische Laven von einer jüngeren dichteren durchbrochen werden.

Ich gehe nun zu einer genaueren Beschreibung der Bestandteile über.

Die hellen Bruchstücke in dem Meteoriten von Orvinio bestehen aus Chondrit. Die Chondrit sind mehr oder weniger tufähnliche Massen, bestehend aus Gesteinskügelchen und einer pulvrigen oder dichten gleich zusammengesetzten Grundmasse. So ist es auch hier. Ein Dünnschliff, welcher aus einen solchen Bruchstücke gewonnen wurde, zeigt Kügelchen, welche meist aus einem, seltener aus mehreren Mineralen bestehen, und welche in einer aus Splittern derselben Minerale bestehenden Masse liegen, die auch dunkle Partikelchen von Nickeleisen und Magnetkies enthält. Fig. 3 auf Taf. I.

Unter den durchsichtigen Mineralen unterscheidet man eines, das nur unvollkommene Spaltbarkeit zeigt und in Körnchen vorkommt, ziemlich leicht von den anderen. Nach den genannten Kennzeichen und den Daten der Analyse ist es für Olivin zu halten. Das andere Mineral, welches in Säulchen von deutlich erkennbarer Spaltbarkeit nach einem Prisma von fast quadratischem Querschnitte, ferner nach der Quer- und der Längsfläche vorkommt, ist als Bronzit zu erklären. Ein drittes, welches in feinblätterigen oder feinfaserigen Partikeln auftritt, könnte mit dem vorigen identisch sein, dürfte aber, da die Analyse auf einen feldspatartigen Gemengteil hinweist, für diesen zu halten sein. Eine Erscheinung, die an manchen Chondriten, z.B. Pultusk, Alessandria, Chateau Renard, auftritt, findet sich auch hier: an manchen Bruchstücken sind schwarze Spiegelflächen mit parallelen Streifen zu beobachten.

Manches, was hier bezüglich der chondritischen Masse ferner zu sagen wäre, habe ich schon bei einer früheren Gelegenheit, als ich den Meteorit von Gopalpur beschrieb,* ausgesprochen. Ich wiederhole hier nur das Eine, dass ich die Chondrit für Zierreibungs-Tuffe, und die Kügelchen derselben für solche Gesteinspartikelchen halte, welche wegen ihrer Zähigkeit bei dem Zerreiben des Gesteines nicht in Splitter aufgelöst, sondern abgerundet wurden.

*) Diese Berichte Band LXV. Abt. I. pag. 122. Die beigegebene Tafel enthält Abbildungen eines Dünnschliffes und verschiedener Kügelchen. Ein Auszug der Abhandlung in den Mineralog. Mitteil. 1872, pag. 95.

Die Bruchstücke in dem hier behandelten Meteoriten haben eine dunklere, härtere Rinde. Die mikroskopische Untersuchung zeigt, dass das Gestein hier von einer schwarzen Masse imprägniert ist, welche mit der sogleich zu besprechenden Bindemasse zusammenhängt. Diese schwarze Masse dringt in alle feinen Fugen zwischen den Mineralpartikelchen und auch in die Spaltungsfugen ein, sodass die Rinde der Bruchstücke an Durchsichtigkeit sehr einbüßt. (Fig. 4 auf Tafel I.) Da die schwarze Masse halbglasig und hart ist, wird die Veränderung der Rinde erklärlich. Eine solche Imprägnation, wie sie hier beobachtet wurde, zeigt auch der Chondrit von Tadjera, welcher äußerlich schwärzlich und halbglasig erscheint, und ähnliches Aussehen zeigen im Dünnschliffe solche Meteoriten, welche stark erhitzt wurden, wobei der Magnetkies flüssig gemacht, in die feinen Fugen eingedrungen ist.*

Die schwärzliche Bindemasse besteht aus zwei Teilen, nämlich aus einem auch im Dünnschliffe undurchsichtigen halbglasigen Teile und aus Partikeln, welche genau so aussehen wie Teilchen der dunklen Rinde der Bruchstücke. Da in der Nähe der großen Bruchstücke öfter derlei Partikel wahrnehmbar sind, welche genau an die Kontur der Bruchstücke passen, so kann man alle diese Partikel kaum für etwas anderes als für Splitter halten, die von den großen Bruchstücken sich abgelöst und mit der Bindemasse vermischt haben. Viele der Splitter sind noch als Olivin und Bronzit zu erkennen. Die Menge der eigentlichen Bindemasse ist sonach bedeutend geringer, als es für den ersten Anblick scheint. Da sie beinahe opak ist, war mir eine mikroskopische Unterscheidung der enthaltenen Silikate nicht möglich, dagegen lassen sich die metallischen Beimengungen im auffallenden Lichte erkennen. Die Partikel des Nickeleisens und des Magnetkieses sind hier durchschnittlich viel kleiner als in den Bruchstücken. In der homogenen schwarzen Masse erscheinen diese Partikel rundlich, gegen die Bruchstücke zu aber flaserig angeordnet, daher die Fluidaltextur. Bei der Imprägnation der großen Bruchstücke und der kleinen Splitter treten diese beiden Gemengteile häufig als feine Adern hinein. Das Nickeleisen, welches in der Bindemasse vorkommt, zeigt nach dem Ätzen unter dem Mikroskop ebenso wenig Widmannstädten'sche Figuren wie die Eisenpartikelchen der chondritischen Bruchstücke, beide Eisenteilehen sind aber individualisierte Körperehen und zeigen nach den Ätzen Linien wie das Braunauer Meteoreisen.

Die chemische Zusammensetzung der beiden Steinarten wurde von dem Herrn L. Sipöcz im Laboratorium des Herrn Prof. E. Ludwig bestimmt. Derselbe erhielt für die chondritischen Bruchstücke die Zahlen unter I und für die schwarze Bindemasse jene unter II.

I.|II.
Kieselsäure 38.01 36.82
Tonerde 2.22 2.31
Eisenoxydul 6.55 9.41
Magnesia 24.11 21.69
Kalkerde 2.33 2.31
Natron 1.46 0.96
Kali 0.31 0.26
Schwefel 1.94 2.04
Eisen 22.34 22.11
Nickel 2.15 3.04
101.42 100.95

Die beiden Bestandteile, die Bindemasse und die Bruchstücke haben, wie später gezeigt wird, fast dieselbe chemische Zusammensetzung, fast das gleiche Volumgewicht, und so viel sich ermitteln lässt, auch denselben mineralogischen Bestand. Demnach lässt sich der Meteorit von Orvinio mit einer bestimmten Art tellurischer Gesteine vergleichen und zwar mit einer Breccie vulkanischen Gesteins, welche aus einer dichten Grundmasse und aus körnigen Trümmern desselben Gesteins zusammengesetzt ist. Bekanntlich sieht man derlei Breccien an Vulkanen und überhaupt im Bereiche der eruptiven Felsarten häufig. Sie bilden sich dadurch, dass ältere kristallinische Laven von einer jüngeren dichteren durchbrochen werden.

Ich gehe nun zu einer genaueren Beschreibung der Bestandteile über.

Die hellen Bruchstücke in dem Meteoriten von Orvinio bestehen aus Chondrit. Die Chondrit sind mehr oder weniger tufähnliche Massen, bestehend aus Gesteinskügelchen und einer pulvrigen oder dichten gleich zusammengesetzten Grundmasse. So ist es auch hier. Ein Dünnschliff, welcher aus einen solchen Bruchstücke gewonnen wurde, zeigt Kügelchen, welche meist aus einem, seltener aus mehreren Mineralen bestehen, und welche in einer aus Splittern derselben Minerale bestehenden Masse liegen, die auch dunkle Partikelchen von Nickeleisen und Magnetkies enthält. Fig. 3 auf Taf. I.

Unter den durchsichtigen Mineralen unterscheidet man eines, das nur unvollkommene Spaltbarkeit zeigt und in Körnchen vorkommt, ziemlich leicht von den anderen. Nach den genannten Kennzeichen und den Daten der Analyse ist es für Olivin zu halten. Das andere Mineral, welches in Säulchen von deutlich erkennbarer Spaltbarkeit nach einem Prisma von fast quadratischem Querschnitte, ferner nach der Quer- und der Längsfläche vorkommt, ist als Bronzit zu erklären. Ein drittes, welches in feinblätterigen oder feinfaserigen Partikeln auftritt, könnte mit dem vorigen identisch sein, dürfte aber, da die Analyse auf einen feldspatartigen Gemengteil hinweist, für diesen zu halten sein. Eine Erscheinung, die an manchen Chondriten, z.B. Pultusk, Alessandria, Chateau Renard, auftritt, findet sich auch hier: an manchen Bruchstücken sind schwarze Spiegelflächen mit parallelen Streifen zu beobachten.

Manches, was hier bezüglich der chondritischen Masse ferner zu sagen wäre, habe ich schon bei einer früheren Gelegenheit, als ich den Meteorit von Gopalpur beschrieb,* ausgesprochen. Ich wiederhole hier nur das Eine, dass ich die Chondrit für Zierreibungs-Tuffe, und die Kügelchen derselben für solche Gesteinspartikelchen halte, welche wegen ihrer Zähigkeit bei dem Zerreiben des Gesteines nicht in Splitter aufgelöst, sondern abgerundet wurden.

*) Diese Berichte Band LXV. Abt. I. pag. 122. Die beigegebene Tafel enthält Abbildungen eines Dünnschliffes und verschiedener Kügelchen.

Die beiden Massen haben demnach fast gleiche Zusammensetzung. In Betracht des Umstandes, dass beide Gemenge sind, erscheinen die Differenzen ganz unerheblich außer bei Magnesia und Eisenoxydul. Wenn aber das atomistische Verhältnis des Silicium zu der Summe von Magnesium und Eisenoxydul berechnet wird, ergibt sich für die erstere Analyse 1:1.096 und für die zweite 1:1.098. Es zeigt sich also, dass in der schwarzen Bindemasse zwar etwas weniger Magnesia vorhanden sei, dass aber dafür eine äquivalente Menge Eisenoxydul eintrete.*

*) Es existiert auch eine Analyse von G, Bellucci mit 16.84 Proc. Tonerde und 8.97 Proc. Magnesia. Die Zahlen sind ganz unrichtig und erinnern an die Analysen Holger's an dem Stein von Wessely, für welchen dieser 39 Pct. Tonsilicat, 22.66 Pct. Schwefel etc. angab. Es wäre zu wünschen, dass derlei Zahlen nicht durch kompilatorischen Eifer verewigt würden.

Aus den Daten der Analyse lässt sich entsprechend den, an dem Meteoriten von Gopalpur gemachten Erfahrungen schließen, dass in den Silikaten außer dem Bronzit und Olivin, für welche sich wenig verschiedene prozentische Mengen berechnen, auch noch ein Gemengteil vorhanden sein möge, dem die Tonerde und die Alkalien zukommen, also ein Feldspat ähnlicher Gemengteil, der bisher noch nicht mechanisch gesondert werden konnte.

Das Volumgewicht eines chondritischen Bruchstückes fand ich 3:675, das der schwarzen Bindemasse 3.600.

Die geringere Zahl für die halbglasige Bindemasse, welche gleichwohl einen etwas größeren Eisengehalt besitzt, harmoniert mit dem Umstande, dass diese Masse das Ansehen eines halbgeschmolzenen Körpers hat, indem die Silicate im glasigem Zustande immer ein geringeres Volumgewicht zeigen.

Das mikroskopische Bild der schwarzen Bindemasse wird nun leichter verständlich. Sie erscheint als ein umgeschmolzener Chondrit derselben Art wie die Bruchstücke. Die sehr schwer schmelzbaren Silikate Olivin und Bronzit sind, wofern sie größere Körnchen bildeten, erhalten geblieben, die feineren Teilchen aber und sämtliches Eisen und aller Magnetkies sind vollständig umgeschmolzen. Die Schmelze besteht vorwiegend aus Eisen und Magnetkies. Ersteres hat sich beim Erstarren in größeren Partikelchen ausgeschieden, der Magnetkies hingegen blieb feiner verteilt und wurde die Hauptursache der auch im Dünnschliffe beobachteten Undurchsichtigkeit der halbglasigen Schmelze. Die letztere muss dünnflüssig gewesen sein, da sie in die feinsten Klüfte eindringt. Darnach wäre zu schließen, dass die schwarze flüssige Masse mindestens die Temperatur des schmelzenden Eisens besaß, aber keine höhere Temperatur hatte als die des schmelzenden Bronzits oder Olivins.

Chantonnay.

Über diesen Meteoritenfall besitzen wir ältere Nachrichten,* ferner eine Analyse von Berzelius,* die sich bloß auf den Silicatbestandteil bezieht, und eine Totalanalyse von Rammelsberg.* Die merkwürdige breccienartige Struktur des Steines wird von mehren Autoren wie Daubrée, Reichenbach, Meunier erwähnt. Sie gewinnt aber neuerdings Interesse, wenn sie mit jener des zuvor genannten Meteoriten verglichen wird.

*) Chladni. Gilbert's Annalen. Bd. 60, pag. 247. Cavoleau, Journal de Physique. Bd. 85, pag. 311.

*) Poggend. Ann. Bd. 33, p. 28. Zeitschrift d. deutsch. geol. Ges. Bd. 22, pag. 889.

Der Stein von Chantonnay, von welchem das Wiener Museum ein großes und mehre kleinere Exemplare besitzt, zeigt so wie jener eine spärliche schwarze runzelige matte Rinde. Die Schnittfläche, welche durch denselben gelegt ist, zeigt chondritische Bruchstücke, welche eine dunkle Rinde besitzen und durch eine reichliche schwarze, zum Teil halbglasige Bindemasse zusammengefügt sind. Fig. 5 auf Taf. I. Durch die Masse des ganzen Steines ziehen auch hier Sprünge, welche darauf schließen lassen, dass dieselbe erhitzt worden und beim Erkalten in Folge der ungleichartigen Beschaffenheit sich ungleichförmig zusammengezogen habe.

Die Bruchstücke sind ein Chondrit, welcher nicht sehr reich an Kügelchen ist, jedoch deren hie und da größere enthält. Er zeigt Ähnlichkeit mit dem Chondrit des zuvor beschriebenen Steines von Orvinio, enthält aber weniger Eisen. Die Figur 6 gibt das Bild einer Partie aus einem Dünnschliff. Man kann wiederum Olivin, Bronzit, ein feinfaseriges durchscheinendes Mineral, sowie Nickeleisen und Magnetkies erkennen. Ob Chromit vorhanden sei, konnte ich nicht entscheiden. Die Unterscheidung von Bronzit und Olivin gelang mir nicht an allen hierhergehörigen Teilchen, obgleich die Studien an dem Stein von Lodran* vorzügliche Kennzeichen liefern. Man sieht jedoch auch hier die deutliche Spaltbarkeit der Bronzitkörnchen häufig.

*) Diese Berichte Bd. LXI. Abt. II, pag. 465. Dieser Meteorit gestattete die mechanische Trennung, die Messung der Winkel, die mikroskopische Untersuchung und chemische Analyse der Kristalle von Olivin, Bronzit und Chromit.

Die Rinde der Bruchstücke ist sehr ungleich dick. Sie ist wiederum härter als das Innere und zeigt bei der mikroskopischen Prüfung eine Imprägnation durch eine schwarze, in die feinsten Klüfte eingedrungene Masse.

Zuweilen zeigen sich in den Bruchstücken feine schwarze Adern oder Gänge, welche mit der schwarzen Bindemasse kommunizieren; sie sind Apophysen der Bindemasse, welche eben so gut im Stande war, gröbere Klüfte auszufüllen, als sie die feinen imprägnierte. Ganz gleich aussehende schwarze Adern sieht man bekanntlich an ziemlich vielen Meteoriten, wie Lissa, Kakowa, Chateau Renard, Alessandria, Pultusk. Bei manchen derselben überzeugt man sich, dass die schwarzen Linien nichts anderes sind, als die Querschnitte von Rutschflächen, wie an den Steinen von Chateau Renard, Pultusk, Alessandria. Bei anderen Meteoriten wie an denen von Lissa, Kakowa hingegen haben die Adern ganz den Charakter der zuvor genannten Apophysen. Ich glaube daher, dass die letzteren Meteoriten auf ihrer ursprünglichen Lagerstätte mit einer heißflüssigen Masse in Berührung gekommen und in solcher Weise injiziert worden sind. Reichenbach war der Ansicht, dass die schwarzen Adern mit der Schmelzrinde in Verbindung stehen, also während des Fluges durch «die Atmosphäre gebildet wurden.* Dem widerspricht aber der Umstand, dass nach Beobachtung und Rechnung das Innere der Meteoriten bei ihrer Ankunft auf der Erde eine sehr niedere Temperatur besitzt, welche das Eindringen einer Schmelzmasse in kapillare Räume verhindern muss. Einen Beleg dafür liefert das Folgende.

Zwischen den Bruchstücken und der schwarzen Bindemasse des Steines von Chantonnay zeigen sich zuweilen kapillare offene Klüfte. Eine solche Kluft mündet an einer Stelle an der Oberfläche des Meteoriten. Hier sieht man die Schmelzrindenmasse in der Tat eingedrungen, aber nur auf eine Tiefe von 6 Mm., obgleich die Kluft teilweise offen war. Die Schmelze endet in der Kluft mit einigen in die Länge gezogenen Tropfen.

Die schwarze Bindemasse besteht aus chondritischen schwarz imprägnierten Partikeln und aus einem undurchsichtigen spröden halbglasigen Magma. Die Fig. 5, welche die Ansicht eines Schnittes gibt, zeigt, dass die Partikel in der Bindemasse beinahe verschwinden, doch erkennt man sie noch an den enthaltenen größeren Eisenteilchen. Die Menge des halbglasigen Magma ist also geringer. als man beim ersten Anblick zu glauben geneigt ist.

Eine Fluidaltextur zeigt sich dem freien Auge nicht, doch erkennt man eine solche Textur, welche auch hier von der Anordnung der Eisenpünktchen in dem Magma herrührt, mit der Lupe an mehren Stellen, wo sich die Bruchstücke und das Magma berühren. Dass diese Textur hier weniger auffallend ausgesprochen ist, möchte wohl dem geringeren Gehalt von Nickeleisen zuzuschreiben sein, da er bloß 79 Pct. beträgt, während er sich in dem Stein von Orvinio auf 25 Pct. beläuft.

Das schwarze halbglasige Magma besteht aus einer vollständig undurchsichtigen Masse, worin Splitter der auch in den Bruchstücken enthaltenen Silicate, zuweilen auch einzelne Kügelchen liegen. Im auffallenden Lichte sieht man feine Pünktchen von Nickeleisen und Magnetkies. Wo die Fluidaltextur erkannt wurde, sind diese Pünktchen perlschnurartig angeordnet. Man sieht auch sehr feine Adern der letztgenannten Minerale, welche zugleich mit der imprägnierenden Masse in die chondritischen Partikel und Bruchstücke eindringen.

Die Menge des eigentlichen schwarzen Magma ist gering, denn die Hauptmasse alles dessen, was schwarz erscheint, ist nur imprägnierter Chondrit.

Eine gesonderte chemische Untersuchung der Bruchstücke und der Bindemasse ist bisher noch nicht ausgeführt worden. Berzelius gab bloß die Analyse der Silicate der schwarzen Bindemasse, ohne die Menge des Eisens und des Magnetkieses zu bestimmen. Rammelsberg führt nicht an, welcher Art sein Material gewesen, wahrscheinlich waren beide Teile des Steines darin vertreten. Nach den Erfahrungen an dem Stein von Orvinio dürfte auch hier die Zusammensetzung der Bindemasse von der der Bruchstücke nur unbedeutend differieren. Ich vergleiche nun hier die von Rammelsberg erhaltenen Zahlen mit den früher angeführten in der Weise, dass in der ersteren Analyse die Daten für den in Säure auf löslichen und den unauflöslichen Teil vereinigt werden.

Kieselsäure 37.38 38.01 36.82
Tonerde 2.53 2.22 2.31
Eisenoxydul 14.67 6.55 9.41
Manganoxydul 0.27 — —
Magnesia 25.37 24.11 21.69
Kalkerde 1.41 2.33 2.31
Natron 1.14 1.46 0.96
Kali 1.14 0.31 0.26
Chromoxyd 0.60 — —
Eisenoxydul 0.37 — —
Schwefel 2.24 1.94 2.04
Eisen 10.65 22.34 22.11
Nickel 1.16 2.15 3.04
97.79 101.42 100.95

Der Unterschied ist größtenteils gering, nur im Eisengehalte differieren die beiden Meteoriten erheblicher. Rechnet man alles Eisen als metallisches Eisen, so geben die drei Analysen die Zahlen 22.63, 27.43 und 29.43.

Die Erscheinungen an den Meteoriten von Orvinio und von Chantonnay führen zu dem Schlusse, dass diese Massen ursprünglich nicht die gegenwärtige Beschaffenheit hatten, sondern dass sie durch Zertrümmerung fester Gesteine und nachherige Zusammenfügung derselben mittelst eines halbglasigen Magma, in ihren gegenwärtigen Zustand gelangt sei. Ich habe dafür gleich eingangs eine Parallele mit den eruptiven Breccien unserer Erde gezogen, doch könnte es nunmehr scheinen als ob dieser Vergleich nicht vollkommen zutreffe. Die schwarze Bindemasse ist nämlich nicht so homogen wie eine verkittende Lava, sondern enthält viele Gesteinsplitter in der halbglasigen Grundmasse. Dieser Umstand hängt aber mit der äußerst schwierigen Schmelzbarkeit der Silicate zusammen, welche die Hauptmasse Jener Meteoriten bilden. Wir besitzen auf unserer Erde keine Olivinfels- oder Bronzitfelslaven, daher werden wir auch etwas der schwarzen Rindemasse völlig Gleiches unter unseren vulkanischen Produkten nicht auffinden.

Wollte man aber trotzdem jene meteorischen Trümmergesteine mit anderen, nicht vulkanischen Bildungen unserer Erde vergleichen, so könnte man sie vielleicht mit den Dislokations-Breccien in eine Linie stellen, d. h. mit jenen Breccien, welche durch eine Zertrümmerung und eine an derselben Stelle erfolgte Verkittung der Gesteintrümmer durch den Absatz einer wässerigen Lösung gebildet wurden. Man könnte sie vielleicht auch mit den im Durchschnitte marmoriert aussehenden Kalksteinen etc. vergleichen, deren Aderung durch wässerige Einflüsse entstanden ist. In der Tat besitzt der Stein von Chantonnay eine feine Textur, die einigermaßen einer solchen metamorphischen Breccie entspricht.

Es könnte also scheinen, dass man sich die schwarze verkittende Masse der Meteoriten - Breccie auch durch allmälig und bei mäßiger Temperatur wirkende Ursachen gebildet vorstellen könnte. Dem ist aber entgegenzuhalten, dass die Sprünge und Klüfte in dem ganzen Steine, der halbglasige Zustand der Bindemasse, der Eisen- und Magnetkies-Teilchen, die Fluidaltextur durchwegs auf die Mitwirkung einer hohen Temperatur hinweisen, ferner dass eine allmälige Entstehung durch die vorliegenden Beobachtungen wohl nicht gänzlich ausgeschlossen, aber doch nicht wahrscheinlich gemacht sei, weil in diesem Falle eine kristallinische Ausbildung des schwarzen Magma zu erwarten wäre.

Man mag übrigens den Tatsachen diese oder jene Auslegung geben, in jedem Falle ist durch dieselben bewiesen, dass die beiden Steine früher Zeugen von Vorgängen waren, die nur auf einem solchen Himmelskörper möglich sind, welcher an der Oberfläche und im Inneren verschiedene Zustände aufweist. Die beiden Steine geben uns also Nachricht von Veränderungen auf der starren Oberfläche eines oder mehrerer Planeten, welche später in Trümmer aufgelöst wurden.

Erklärung der Tafeln.

Tafel 1: Fig. 1 — Ansicht eines Meteorsteines von Orvinio in 1/2 der natürl. Größe (linear). Links Brustseite, rechts Rückenseite. Die punktierte Linie gibt die Richtung des durch den Meteoriten geführten Schnittes an.

Tafel 1: Fig. 2 — Ansicht des Schnittes in natürlicher Größe im auffallenden Lichte. Die Trümmerstruktur, die Sprünge sind deutlich. Ein Bruchstück links zeigt den Unterschied der helleren Färbung im Inneren und der dunklen Färbung gegen die Rinde zu, die kleineren Bruchstücke sind durchaus dunkel. Die dunkle Bindemasse zeigt eine Fluidaltextur, welche von höchst feinen Eisenflasern herrührt und eine unnachahmliche Zartheit der Zeichnung besitzt.

Tafel 1: Fig. 3 — Partie eines Dünnschliffes aus einem Bruchstück in dem Meteoriten von Orvinio. Durchfallendes Licht. Vergrößerung 20fach. Die dunklen Partikel sind Eisen und Magnetkies, letzterer ist feiner verteilt. Die Unterscheidung beider erfolgt natürlich nur im auffallenden Lichte.

Tafel 1: Fig. 4 — Teil eines Dünnschliffes durch ein Bruchstück und die angrenzende Bindemasse. Vergrößerung 20. Das chondritische Bruchstück erscheint hier im Kontakte mit der Bindemasse von einem schwarzen Magma durchdrungen. An der Grenze beider endigt ein Sprung. Die Bindemasse ist von feinen Eisenadern durchzogen. Diese sind durch ein helleres Grau bezeichnet.

Tafel 1: Fig. 5 — Teile eines Dünnschliffes durch die Bindemasse. Vergrößerung 20. Ein Teil der Bindemasse ist reich an chondritischen Splittern und rundlichen Eisenpartikeln, die andere ist dicht, die Eisenteilchen sind sehr klein.

Tafel 2: Fig. 6 — Ansicht eines polierten Durchschnittes durch den Meteorstein von Chantonnay in natürlicher Größe. Auffallendes Licht. Die Trümmerstruktur wird hervorgebracht durch viele Bruchstücke, die von einem schwarzen Magma umhüllt sind. Die Bruchstücke sind durch größere Eisenpartikel kenntlich. Das Magma zeigt keine erkennbaren Eisenteilchen. Die drei größeren Bruchstücke sind im Inneren lichter gefärbt. Sie zeigen eine an verschiedenen Stellen ungleich dicke dunkle Rinde. Die vielen kleinen Bruchstücke sind ganz und gar schwarz imprägniert und heben sich nur durch die geringere Politur und die Eisenpartikel von dem umgebenden Magma ab. In der Masse des Steines sind unregelmäßige offene Sprünge bemerkbar.

Tafel 2: Fig. 7 — Eine Partie eines Dünnschliffes durch das helle Innere eines großen Bruchstückes. Durchfallendes Licht. Vergrößerung 15. Die dunklen Partikel sind Eisen und Magnetkies.

Tafel 2: Fig. 8 — Teil eines Dünnschliffes durch zwei imprägnierte kleine Bruchstücke und die zwischenliegende schwarze Masse. Die letztere enthält chondritische Splitter. Vergrößerung 15.